DAS erzählt Ihnen niemand: Wenn NFTs einfach verschwinden

Wenn NFT verschwindenNFTs sind in aller Munde. Für ein NFT-Kunstwerk des Künstlers „Beeple“ wurden jüngst bei einer Versteigerung durch Christie’s 69 Millionen US-Dollar gezahlt.

Bei solchen Summen stellt sich natürlich die Frage: Wie sicher ist meine gekaufte NFT-Kunst? Können NFTs einfach verschwinden? Dazu hört man im Netz relativ wenig – ganz im Gegenteil zu den euphorischen Lobgesängen über die Chancen von NFT.

Was sind NFT?

NFT bedeutet „Non Fungible Token„. Simpel gesagt handelt es sich um einen Datensatz, der eine bestimmte Person als Berechtigte an einem digitalen oder physischen Gegenstand ausweist. Mögliche Gegenstände sind:

  • Grafiken
  • Musik
  • Sammelkarten
  • Grundstücke
  • etc.

Hier in diesem älteren Artikel habe ich die Grundlagen zu NFT etwas ausführlicher zusammengefasst.

Steckt der gekaufte Gegenstand im NFT drin?

NFT graphic link

Um zu wissen, ob NFTs ihrem Käufer eine dauerhafte Sicherheit gewähren, müssen wir uns (zumindest grob) ansehen, wie das Technisch abläuft.

NFT-Kunst kaufen Sie ja in der Regel über Plattformen (z. B. OpenSea). Wichtig zu wissen ist: Das eigetnliche Kunstwerk – z. B. die Grafikdatei – befindet sich nicht im NFT (also im Blockchain-Datensatz). Letzterer ist lediglich so etwas wie ein „Echtheitszertifikat“ oder „Inhaberzertifikat“. Er enthält nur sehr wenige Informationen, u. a. eine kurze Beschreibung, um welches Kunstwerk es sich handelt und dann einen Link zur Datei selbst. Das NFT ist also nur über einen Verweis mit dem jeweiligen Gegenstand verknüpft. Auch bei physischen Dingen (z. B. ein Grundstück) ist dieses natürlich (!) nicht in einem NFT enthalten. Das NFT sagt Ihnen vielmehr: Wo befindet sich das jeweilige Grundstück. Eine Ausnahme ist höchstens bei Kunstwerken mit sehr geringen Datenmengen vorstellbar (z. B. kurze Texte).

Halten wir also Fest: Das NFT ist nicht die Datei (oder der Gegenstand) selbst! Wenn Sie also ein NFT für einen Preis kaufen, der möglicherweise so hoch ist wie der eines Hauses, kaufen Sie zu 99,9% kein Kunstwerk oder sogar eine Bilddatei. Stattdessen kaufen Sie ein kleines Stück Code, das auf ein Medium verweist, das sich irgendwo anders im Internet befindet

Was kann nun mit einem NFT passieren?

Vorstellbar sind zwei Szenarien:

  • Die Datei existiert nicht mehr unter der verlinkten Adresse
  • Der NFT-Datensatz existiert zum Zeitpunkt des Erwerbs (noch) nicht

Wenn der Verweis ins Leere geht

Was glauben Sie, passiert, wenn die Datei, auf die ein NFT verweist, vom Server gelöscht wird (oder wenn die Domain nicht mehr existiert)? Genau! Dann verweist das NFT sprichwörtlich „ins Leere“. Wenn beispielsweise der Webhoster Pleite geht oder der Eigentümer der Domäne aus irgendeinem Grund die Rechnung nicht mehr bezahlt oder sogar beschließt, die NFT-Käufer zu veräppeln und die URL woanders hin umleitet, würde der Käufer mit leeren Händen dastehen.

Beispiel:

Sie können sich das so vorstellen, wie wenn ein Grundbuch-Eintrag auf ein nicht existierendes Grundstück verweist. Es kann dadurch kein Eigentum begründet werden. Der Grundbucheintrag wäre wertlos.

Abhilfe soll eine andere Methode des Hostings schaffen: eine dezentrale Methode (Peer-to-Peer) des InerPlanetary File System, IPFS. Die Datei (z. B. Grafik) wird in kleinste Fragmente aufgespalten und ihr wird ein einzigartiger Code zugeordnet (der die Datei exakt beschreibt). Der Link zwischen Datei und NFT hängt dann nicht von einer einzigen URL ab. Solange dann noch mindestens ein Mitglied des P2P-Netzwerks über die Datei verfügt, kann diese dem NFT noch eindeutig zugeordnet werden. Aber auch hier wird das NFT wertlos, wenn auch das Letzte Netzwerkmitglied die Datei löscht. Große Plattformen wie OpenSea versprechen jedenfalls, dass bei dieser Methode eine Datei für immer und ewig online sein wird. Ich würde ein NFT für 69 Millionen US-Dollar jedenfalls nicht in die Hände einer Plattform legen.

 

 

Natürlich können NFTs auch abseits etablierter Plattformen hergestellt werden, wenn der Creator die nötigen Softwarekenntnisse hat. Dann ist eine selbst gehostete Datei wesentlich gefährdeter. Klar ist: Eine Datei kann nicht wieder von Neuem auf den Server hochgeladen werden – die Zuordnung zwischen Datei und NFT existiert dann nicht mehr. Wie ein englischsprachiger Beitrag schön sagt:

It seems that an Error 404 screen is the new ‚ashes of a burned painting‘.

Das NFT existiert gar nicht

„Gas“?

„Gas“ ist nicht Erdgas sondern bezeichnet die Transaktionskosten, um einen Datensatz an die Blockchain zu schreiben

Ein weiteres Problem soll sich in letzter Zeit häufen: Wenn das NFT zum Zeitpunkt seines Erwerbs noch gar nicht existiert. Genauer gesagt: Der Datensatz wurde noch gar nicht an die Blockchain drangehängt. Das soll z. B. im Ethereum System vorgekommen sein, weil man dort Gas sparen wollte. Der Käufer soll sich das NFT dann selbst „minten“ (der Begriff „to mint“ bedeutete ursprünglich „prägen“, also z. B. eine Münze oder ein metallenes Abzeichen).

Der Fall ist vergleichbar mit einem Selbstbedienungs-Restaurant, bei dem man zunächst an der Kasse zahlt und dann sein Essen gegen Vorlage des Kassenbons erhält. Nur, dass der Kassenbon unsichtbar ist, die Warteschlange nie endet und Sie hungrig bleiben.

Ergebnis: Vieles steckt rechtlich noch in den Kinderschuhen

Wenn Sie ein NFT kaufen, das kurze Zeit später vom Server verschwindet (wenn es nicht Ihr eigener Server ist) oder gar nicht existent ist, möchten Sie vielleicht wissen, wer für den Schaden aufkommt. Dann gilt es erst mal zu prüfen, nach welcher Rechtsordnung so ein Kauf überhaupt beurteilt würde. Denn andere Rechtssysteme (z. B. das der USA) erlaubt viel weitreichendere Haftungsausschlüsse.

Und das weitere Problem betrifft die Vollstreckung. Häufig sitzt der Verkäufer auf einem ganz anderen Kontinent und Sie hätten selbst „im Recht“ erhebliche Schwierigkeiten, auch nur einen Cent zu vollstrecken.

Seien Sie also offen gegenüber den Möglichkeiten, die NFT bieten. Aber behalten Sie sich auch eine gesunde Skepsis im Ärmel.


Sie haben rechtliche Fragen zu NFT – insbesondere im Zusammenhang mit Urheber- bzw. Nutzungsrechten?


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Über den Autor Dr. Max Greger

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