Welche Äußerungen verletzen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APKR)?

allgemeines persönlichkeitsrechtGrundlage für die Frage, ob eine Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Menschen verletzt, ist in der Regel die Abwägung zwischen Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) – einem sehr starken Grundrecht – und dem APKR. Nur wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht überwiegt, liegt eine Rechtsverletzung vor, gegen die der Betroffene rechtlich vorgehen kann.

Die Prüfung, ob das APKR verletzt wird, erfolgt in zwei wichtigen Schritten:

  1. Unterscheidung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen
  2. Interessenabwägung

Unterscheidung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen

Zunächst nötig ist die Unterscheidung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen. Denn während Werturteile in der Regel durch die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) gegenüber dem APKR vorrangig sind, gilt das bei Tatsachenbehauptungen in der Regel nur, wenn sie wahr sind.

Werturteile

Beispiele:

  • „Wenn Herr P kocht, kann man das Schnitzel kaum genießen…“
  • „Herr Maier ist ein Schwein.“
  • „Es ist eine Frechheit, wie Herr X mit seinen Kunden umgeht … ich wurde am Telefon unfreundlich angeschnauzt … dort werde ich nicht mehr kaufen!“

Werturteile enthalten Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Also: eine Meinung, ein Empfinden. Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Der Schutz des Grundrechts bezieht sich in erster Linie auf die eigene Stellungnahme des Redenden (BVerfGE 7, 198 [210]). Unerheblich ist, ob seine Äußerung „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist.

Aufgrund des sehr starken Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit bzw. des öffentlichen Informationsinteresses (beide durch Art. 5 I GG geschützt) überwiegt in der Regel das Interesse an der Äußerung von Werturteilen (Merken: „Man sollte immer seine Meinung sagen dürfen!“).

Aber auch für die Äußerung von Meinungen gibt es Grenzen: Das APKR des Betroffenen überwiegt in folgenden Fällen (mit der Folge einer Rechtsverletzung):

  • Angriff auf Menschenwürde
  • Schmähkritik
  • Formalbeleidigung

Angriff auf Menschenwürde

Meinungsäußerungen können einen Angriff auf die Menschenwürde und damit eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der Menschenwürde in zahlreichen Entscheidungen definiert. Hiernach bezeichnet die Menschenwürde den Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt, unabhängig von seinen Eigenschaften, seinem körperlichen oder geistigen Zustand, seinen Leistungen oder sozialem Status.

Eine Verletzung liegt vor, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird.

Beispiel: „Du bist Ausländer – so jemanden wie Dich sollte man wegsperren“.

Schmähkritik

Grundsätzlich sind auch verletzende Meinungsäußerungen zulässig. Es gilt: je härter der Meinungskampf geführt wird, desto „härtere Bandagen“ sind erlaubt (Beispiel: Politik). Die Grenze des zulässigen ist dann erreicht, wenn Schmähkritik vorliegt. Unter Schmähkritik versteht die Rechtsprechung eine Äußerung, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Beispiel 1 (Kritiker über ein Buch von Heinrich Böll):

„Es ist schon schlechterdings phantastisch, was für ein steindummer, kenntnisloser und talentfreier Autor schon der junge Böll war, […] und mehr noch: Er war […] auch einer der verlogensten, ja korruptesten. Daß ein derartiger, z.T. pathologischer, z.T. ganz harmloser Knallkopf den Nobelpreis erringen durfte; daß Hunderttausende lebenslang katholisch belämmerte und verheuchelte Idioten jahrzehntelang den häufig widerwärtigen Dreck weglasen […] ist das nicht alles wunderbar?“  (vgl. BVerfG, NJW 1993, 1462).

Beispiel 2 für Schmähkritik nach Ansicht der Hamburger Gerichte (Böhmermann-Gedicht über Erdogan):

„… Am liebsten mag er Ziegen ficken
und Minderheiten unterdrücken,
Kurden treten, Christen hauen
und dabei Kinderpornos schauen.
Und selbst abends heißts statt schlafen,
Fellatio mit hundert Schafen.
Ja, Erdogan ist voll und ganz,
ein Präsident mit kleinem Schwanz. …“

Begründung der Gerichte: Abwägung zw. Meinungsfreiheit und APKR führt dazu, dass bei großen Teilen des Gedichts keine „Kunst“, sondern eine schwere Herabsetzung vorliegt, auch wenn sich Erdoğan mit Blick auf die von ihm geführte Regierung Kritik – auch massive Kritik – gefallen lassen muss.

Folgende Passagen dürfen nach Ansicht der Gerichte allerdings stehenbleiben:

„Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdoğan, der Präsident. (…) Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt. (…) und Minderheiten unterdrücken (…) Kurden treten, Christen hauen.

Beispiel 3Keine Schmähkritik, weil öffentlicher Meinungskampf:

[Sarrazin] wird inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die zwar billig ist, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen muss … fragt sich nur, wer da Hure und wer Drübersteiger ist?“ (OLG Frankfurt aM, 16 W 36/12)

Formalbeleidigungen

Unter Formalbeleidigung versteht man den Umstand, wenn sich die Ehrverletzung gerade aus der Form oder den äußeren Umständen der Aussage ergibt. Paradebeispiel: Schimpfwort / Beleidigung.

Beispiele:

  • Jemand bezeichnet den Sohn einer Prostituierten öffentlich als „Hurensohn“. Trotz wahrer Tatsache liegt hier eine Formalbeleidigung vor.
  • „Du Arschloch.“

Tatsachenbehauptungen

Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Wahrheitsgehalt einem Beweis (vor Gericht) zugänglich ist.

Tatsachenbehauptungen sind – anders als Werturteile – nicht ohne Weiteres gegenüber dem APKR eines Betroffenen vorrangig. Es kommt bei der Interessenabwägung auf folgende Aspekte an:

  • wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung?
  • Welche Sphäre des Betroffenen betriff die Behauptung?

Eine unrichtige Information ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit bzw. des öffentlichen Informationsinteresses kein schützenswertes Gut (BVerfGE 54, 208 [219]) und daher nicht von Art. 5 I 1 GG geschützt.

Bei den Sphären ist zu unterscheiden:

  • Sozialsphäre: Beruf, Ehrenamt, Politik à schwacher Schutz à Eingriffe idR zulässig
  • Privatsphäre: häuslicher Bereich, im Familienkreis, Privatleben à Eingriffe idR unzulässig, es sei denn: andere Interessen überwiegen (z. B. Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit)
  • Intimsphäre: Bereiche Sexualität, Krankheit und Tod à Eingriffe stets unzulässig!

Handelt es sich um wahre Tatsachen in Bezug auf eine Person, dürfen diese im Bereich der Sozialsphäre in der Regel veröffentlicht werden. Wenn eine Tatsache hingegen die Privatsphäre betrifft, ist die Äußerung nur ausnahmsweise erlaubt, nämlich wenn das öffentliche Informationsinteresse überwiegt. Nie erlaubt ist die Verbreitung von Tatsachen aus der Intimsphäre.

Beispiel für einen zulässigen Eingriff durch wahre Tatsachenäußerung im Bereich der Privatsphäre: es werden (wahre) Details über eine Affäre eines Politikers veröffentlicht. Der Politiker plädiert in den Medien stets für konservative Werte (z. B. Ehe, Treue, Familie …). Dass dieser Politiker diese Werte selbst nicht verkörpert, ist etwas, was die Öffentlichkeit berechtigterweise wissen möchte bzw. was der Äußernde der Öffentlichkeit berechtigterweise mitteilen will.

Handelt es sich dagegen um unwahre Tatsachen, liegt an sich immer ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor. Eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung einer unwahren Tatsache besteht. Dies kann beispielsweise vorliegen, wenn ein Journalist eine Eilmeldung zu einem schwerwiegenden Ereignis verfasst und aufgrund der Kürze der Zeit nicht mehr in der Lage ist – trotz Beachtung seiner journalistischen Sorgfalt –, sämtliche Details sorgfältig zu erörtern. Auch hier überwiegt das öffentliche Informationsinteresse.

Sonderfall mehrdeutige Tatsachenbehauptungen

Ist eine Aussage mehrdeutig, scheidet ein Unterlassungsanspruch nicht schon deshalb aus, weil ein Teil des angesprochenen Publikums die Aussage in einer Variante verstehen könnte, die nicht zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung führt (BVerfG, 1 BvR 1696/98 – „Stolpe“).

Bei Ansprüchen auf Richtigstellung, Schadensersatz oder Geldentschädigung gilt dieser „Stolpe“-Grundsatz nicht, sondern es ist eine individuelle Abwägung vorzunehmen. Bei mehreren möglichen Deutungen (die sich nicht gegenseitig ausschließen), ist dann diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger belastet („Günstigerformel“).

Bei Gegendarstellungsansprüchen gelten diese Grundsätze nicht, denn den Gegendarstellungsanspruch hat der Betroffene immer zu jeder „nicht fernliegenden Deutungsvariante“.

Interessenabwägung

Anschließend wird eine Verletzung des APKR durch eine Güter- und Interessenabwägung ermittelt (Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 I GG <–> Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I u. 1 I GG)

Anders als bei deliktischen Eingriffen in andere – gegenständlich verkörperte – absolute Rechte wie Körper, Gesundheit, Eigentum ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht sehr weit und unbestimmt (sog. „Rahmenrecht“). Da die Reichweite des Persönlichkeitsrechts nicht wie etwa beim Eigentum an einem Auto schnell ersichtlich ist, führt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht automatisch gleich zu einer Rechtswidrigkeit. Vielmehr muss die Rechtswidrigkeit durch die Interessenabwägung erst im konkreten Einzelfall ermittelt werden.


Seite erstellt von Dr. Max Greger am 29. Dezember 2021 (zuletzt aktualisiert: 30. Dezember 2021)