Das beA Anwaltspostfach – eine Odyssee

bea besonderes elektronisches anwaltspostfachWir Juristen – zumindest der Großteil – sind ja nicht für unsere Innovationsfreude und Lockerheit bekannt. Das sieht man auch manchmal an unserem technischen Fortschritt. Andere Branchen sind uns meilenweit in der Digitalisierung voraus.

Einen 100-seitigen Schriftsatz mit 200 Seiten Anlagen musste ich früher in 3-facher Ausfertigung (manchmal auch x-fach) ausdrucken, unterschreiben und an das zuständige Gericht per Schneckenpost schicken. 1.000 Print-Seiten waren keine Utopie.

Irgendwann hat der Gesetzgeber die BRAK (Bundesrechtsanwaltskammer) dazu verdonnert, eine sichere, digitale Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung einzuführen.

Das hat die BRAK 2016 auch getan: Mit „beA“ (besonderes elektronisches Anwaltspostfach), einem zunächst nur webbasierten Nachrichten-Client, der so aussieht, als wäre er 1997 programmiert worden.

Erster Versuch

Der erste Versuch scheiterte aber furios aufgrund einer Sicherheitslücke, die 2017 auftrat. Das ganze System wurde dann erst mal stillgelegt. Es gibt Menschen, die behaupten, die für die Einführung zuständige Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat das alles gehörig vergeigt.

Zweiter Versuch

Naja, halb so wild. Bereits der zweite Versuch im Herbst 2018 (also mehr als ein Jahr später) glückte. Das System lief wieder vollständig. Zwar mit häufigen Ausfällen, teils über längere Strecken des Tages hinweg, aber man musste halt das richtige Zeitfenster finden 😅 Bis vor zwei Wochen (also bis 31.12.2021) durften wir Anwälte Schriftsätze aber nach wie vor per Post bei Gericht einreichen. Und diese Gelegenheit nutzten einige Kolleginnen und Kollegen bis zum Jahreswechsel noch ausgiebig.

Die Frist, wann der Schriftsatz bei Gericht eingeht, konnten wir übrigens mit dem guten alten Telefax („vorab per Fax“) wahren. Wenn nicht ausnahmsweise das Sender- oder Empfängerfax gerade streikte. Daraus sind lustige BGH-Entscheidungen geworden. Stellen Sie sich einen Anwalt vor, der am 31.12. um 23:55 versucht, 100 Seiten per Fax an ein Gericht zu senden. Er muss dann leider feststellen, dass die Leitung belegt ist (weil er nicht der Einzige ist, der diese Idee hatte).

Bei streikendem Fax musste der Schriftsatz daher rechtzeitig (!) in den Briefkasten des Gerichts geworfen werden. Wenn das am anderen Ende der Nation war, musste man einen Kurierdienst einschalten. Unser armer Anwalt, dem das um 23.55 Uhr einfällt, hat natürlich keine Chance mehr. Klarer Haftungsfall, denn er hätte das Fax viel früher senden müssen, so dass er noch Zeit gehabt hätte, den Schriftsatz auf anderem Weg einzureichen.

Die Benutzungspflicht ab 1.1.2022

Seit zwei Wochen (also seit 1.1.2022) sind wir Anwälte nun endlich verpflichtet, Schriftsätze digital per beA bei Gericht einzureichen. Auch wenn beA nach wie vor aussieht, als stammte es aus den späten ’90er Jahren: Es funktioniert im Großen und Ganzen.

Der im Titelbild dargestellte Kartenleser („Reiner“) ist eine Sache für sich. Er hat die vielen Jahre unbeschadet und stoisch überlebt und tut seinen Dienst ohne zu klagen. Dieses Lesegerät benötigen wir, wenn wir ein Schriftstück mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Dieses spezielle qualifizierte Signaturzertifikat erhalten nur bestimmte Berufsträger. Die Echtheit wird noch einmal vor der Freischaltung vom Notar überprüft.

Fazit

Bei uns Anwälten ist jedenfalls beim Versenden und Empfangen von Gerichtspost und auch sonstigem Schriftwechsel zwischen Anwälten die Digitalisierung angekommen. Auch wenn das System noch etwas nutzerfreundlicher sein könnte, erleichtert beA meinen Alltag ungemein. Und umweltschonend ist es auch. Jetzt muss nur noch die Justiz von Papier- auf elektronische Akten wechseln. Dort dauert es noch ein Weilchen. Bis dahin werden die digital eingereichten Schriftsätze noch fleißig ausgedruckt und in die Papierakte einsortiert.

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Über den Autor Dr. Max Greger

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