Münchner Anwalt erstreitet Urteil gegen Martin Ismail (Google Fonts Abmahnung)

Am 30.03.2023 hat das Landgericht München I (Az.: 4 O 13063/22) den Google Fonts Abmahner Martin Ismail auf meine negativen Feststellungsklage hin am 30.03.2023 antragsgemäß verurteilt (>> Urteil als PDF herunterladen <<).
urteil gegen martin ismail google fonts

Worum geht es?

Zum Hintergrund: die Übertragung personenbezogener Daten – hierzu gehört die IP-Adresse – ist rechtlich derzeit höchst kritisch (vgl. dazu mein Artikel zur Übertragung personenbezogener Daten in die USA).

Teil dieser Problematik ist auch das dynamische Einbinden von Google Fonts auf deiner Website von Google Servern. Dadurch erhält nämlich Google deine IP-Adresse (jedenfalls nimmt das die Rechtsprechung an).

Ein Herr Martin Ismail hat zusammen mit seinem Rechtsanwalt Kilian Lenard im Herbst 2022 die wohl gigantischste Abmahnwelle losgetreten. Mit Sicherheit hat er innerhalb weniger Wochen eine sechsstellige Zahl an Abmahnschreiben versendet, ich mutmaßte ja, dass es die Millionenmarke überschritten hat.

Er hat mit einem Crawler gezielt im Quellcode von Websites nach Code gesucht, der darauf schließen lässt, dass Google Fonts dynamisch eingebunden werden.

in diesem berichte ich über den ursprünglichen Fall Martin Ismail: Abmahnung Google Fonts von RA Kilian Lenard: So wehrst du dich

Was habe ich beantragt?

Der Kläger – in diesem Fall ich selbst – begehrt in einer negativen Feststellungsklage die Feststellung, dass der Google Fonts Abmahner Martin Ismail

  • keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und
  • keinen Anspruch auf Unterlassung hat.

Ich stütze mich dabei auf das Argument des Rechtsmissbrauchs. Wer massenhaft Verstöße erst selbst herbeiführt, indem er mit einem Crawler im Quelltext der jeweiligen Seite nach dynamisch eingebundenen Google Schriftarten sucht, braucht sich nicht wundern, wenn dann seine IP-Adresse an ein Unternehmen in den USA übermittelt wird.

Erwähnen möchte ich noch, dass überhaupt nicht sicher ist, wessen IP-Adresse überhaupt wohin übermittelt wurde. Das wäre ja die Grundvoraussetzung für irgendwelche Ansprüche.

Die Entscheidung

Erfreulicherweise hat das Landgericht München I meiner Klageforderung voll und ganz stattgegeben.

Es stützt sich im wesentlichen auf das Argument des Rechtsmissbrauchs. Das Gericht meint, Ansprüche können nicht geltend gemacht werden, wenn sie explizit mit dem Ziel provoziert werden, Ansprüche erst herbeizuführen. Das Gericht benutzt explizit den Begriff der „Tatprovokation“.

Zudem fehle es hier an einer persönlichen Betroffenheit des Beklagten. Wörtlich führt das Gericht aus:

„Wer Websites gar nicht persönlich aufsucht, kann persönlich auch keine Verärgerung oder Verunsicherung über die Übertragung seiner IP-Adresse an die Firma Google in den USA verspüren.“

Angesichts der erheblichen Masse an Abmahnschreiben sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Beklagte, Martin Ismail, hier sachfremde Zwecke verfolgte. Das Gericht kommt zu dem Schluss, in dem es erhebliche finanzielle Aufwendungen annimmt, überhaupt erst mal eine so erhebliche Masse an Schreiben herauszusenden. Ziel muss das dann das Erzielen eines Gewinns sein, andernfalls wäre die erhebliche Zahl der Schreiben durch einen Rechtsanwalt höchst unwirtschaftlich.

Wortwörtlich führt das Gericht aus:

„Die Versendung von mindestens 100.000 Abmahnschreiben durch einen Rechtsanwalt zu beauftragen und der Versand selber bedeutet aber erhebliche Aufwendungen, sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht, jedenfalls dann, wenn diese Abmahnschreiben nicht völlig automatisiert erstellt und versendet werden. Das Gericht erachtet es für kaum denkbar, dass eine Privatperson nur aus Verärgerung über einen aus ihrer Sicht gegebenen und weit verbreiteten Datenschutzverstoß von Website-Betreibern den mit der Versendung von mindestens 100.00 Abmahnschreiben verbundenen
Aufwand auf sich nehmen wird, nur um auf den von ihm gesehenen Missstand beim Datenschutz aufmerksam zu machen.

Zudem hat der Beklagte an die Adressaten seiner „Abmahnungen“ nicht bloße Informationsschreiben versendet bzw. versenden lassen, sondern diese ausdrücklich als „Abmahnung“ bezeichnet. Die Schreiben wurden auch nicht durch den Beklagten persönlich versendet, sondern in seinem Namen durch Rechtsanwalt Kilian Lenard. Die gezielte Einschaltung eines Rechtsanwalts und die Bezeichnung als „Abmahnung“ sollte zur Überzeugung des Gerichts die Drohkulisse gegenüber den Empfängern der „Abmahnungen“ vergrößern.

Zudem ist die fehlende Weiterverfolgung der behaupteten Ansprüche bei Gericht zu berücksichtigen. Anders als bei einem Testkauf in lauterkeitsrechtlichen Konstellationen geht das Gericht schon auf der Basis der eigenen Angaben des Beklagten davon aus, dass der Beklagte nie vorhatte, auch nur eine irgendwie nennenswerte Zahl an Fällen im Vergleich zur Zahl der Abmahnungen zu Gericht zu bringen. Hierfür hätte der Beklagte wegen des durch ihn zu leistenden Gerichtskostenvorschusses bereits erhebliche finanzielle Mittel aufbringen müssen, ohne dass zu erkennen ist, dass der Beklagte über solche als vormals gerichtlich bestellter Betreuer verfügen würde.“

Was bedeutet das Urteil für mich (und dich?)

Es steht nun fest, dass Martin Ismail gegen mich weder einen Unterlassungsanspruch noch einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat.

Bitte beachte, dass dieses Urteil nur inter partes wirkt, also zwischen den Parteien des Rechtsstreits (also zwischen Martin Ismail und mir). Für einen etwaigen geltend gemachten Anspruch gegen dich hat dieses Urteil keine unmittelbare Rechtskraftwirkung. Natürlich kannst du dieses Urteil als Anregung für ein anderes Verfahren heranziehen, wenn du gegen Martin Ismail ebenfalls vorgehen möchtest.

Ist das Urteil endgültig?

Nein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Beklagte Martin Ismail könnte innerhalb der vierwöchigen Frist seit Bekanntgabe des Urteils Berufung einlegen. Der Fall würde dann am OLG München erneut entschieden werden.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass dann keine der beiden Parteien noch neue Tatsachen in den Rechtsstreit einführen können (außer in sehr engen Grenzen, vor allem Tatsachen, die erst nachträglich und ohne Versäumnis bekannt wurden). Das OLG München würde also den Tatbestand, über den schon das Landgericht entschieden hat, erneut rechtlich beurteilen. Ich gehe davon aus, dass das OLG München den Fall identisch entscheiden wird.

Ob der Beklagte Martin Ismail die finanziellen Mittel aufbringen, um in Berufung zu gehen, ist natürlich eine andere Frage. Das wird sich zeigen.

Wird das Urteil nun künftige Abmahnwellen verhindern?

Ich bin mir sicher, dass unter anderem dieses Urteil vergleichbare Massenabmahnungen im Zusammenhang mit Datenschutzverstößen zunächst mal arg einbrecht. Zumindest dann, wenn die Verstöße absichtlich provoziert werden, um überhaupt erst Ansprüche geltend machen zu können.

Davon zu unterscheiden sind aber die ganz normalen individuellen Ansprüche von Privatpersonen auf Basis der DSGVO. Dazu gehört zum Beispiel der Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Dieser steht jeder Person zu. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit kannst du nicht ohne weiteres ausgehen, wenn nicht sich aus den Umständen schon ergibt, dass diese Ansprüche geltend gemacht werden, um irgendwie damit Kasse zu machen oder andere bewusst zu schädigen.

Zudem ist sich die ab wann eigentlich beispielsweise ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen eines Datenschutzverstoßes gegeben ist. Während zum Beispiel das OLG München sagt, dass nur bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein Schmerzensgeld besteht, ist das OLG Stuttgart schon der Meinung, eine verzögerte Auskunftserteilung führe zu einem Schmerzensgeld.

Über diese sogenannte Erheblichkeitsschwelle wird in absehbarer Zeit der EuGH entscheiden. Dazu hat der Oberste Gerichtshof (Österreich) hat dem EuGH am 12.05.2021 mehrere Vorlagefragen zur Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgelegt.

Unter anderem meint der Generalanwalt, dass die Ansprüche aus Art. 82 DSGVO (dort geht es um den individuellen Schadenersatz) nicht Strafcharakter haben dürfen so der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (Verfahren C-300/21).

Kannst du jetzt die bezahlten € 170 zurückfordern?

Nehmen wir an, das Urteil wird rechtskräftig, haben wir dann eine ganze Reihe an rechtskräftigen Urteilen gegen Martin Ismail.

Es liegt dann damit eine sehr sehr günstige Rechtsprechung zulasten von dem Abmahner vor. Auf der Grundlage dieses Urteils (und auch einiger anderer Urteil anderer Amtsgerichte) ist es dann theoretisch möglich, die ggfls. bezahlten 170 € zurückzufordern. Wenn die Ansprüche von Anfang an nicht bestanden haben, gibt es für Herrn Ismail auch keinen Grund, das Geld zu behalten.

Bitte beachte aber, dass die Rückforderung dieses Betrags möglicherweise nicht wirtschaftlich ist (zumal unklar ist, ob bei Martin Ismail überhaupt noch etwas zu holen ist). Du trägst bei gerichtlichen Rückforderungsmaßnahmen das Insolvenzrisiko.

Das könnte Dir auch gefallen

Über den Autor Dr. Max Greger

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert