LG Hamburg: Zählt auch die Video-Übertragung als Fernunterricht?

lg hamburg zfu fernusgUrteil (LG Hamburg): Wird die ZFU-Zulassung gemäß dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG)  künftig für sämtliche Online-Kurse, Online Coachings und E-Learnings Pflicht?

Das aktuelle Urteil des LG Hamburg schockt Anbieter von Online-Kursen, Online-Coaching und E-Learning. Video-Coaching-Sitzungen sind entgegen der bisherigen Praxis als räumliche Trennung zu werten.

+++ Das Urteil ist mittlerweile durch ein neues Urteil des OLG Hamburg überholt. Das OLG Hamburg urteilt zugunsten von Online-Coaches! +++

Was regelt das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG)?

Die Basics zu diesem Gesetz habe ich bereits in diesem Beitrag ausführlich erläutert.

Kurz und knapp: Verträge über Online-Coaching, Online-Unterricht und E-Learning unterliegen unter bestimmten Umständen einer Zertifizierungspflicht. Ohne Zertifizierung bei der ZFU sind die Verträge nichtig. Aus einem nichtigen Vertrag kann auch keine Teilnahmegebühr verlangt werden. Teilnehmende können sogar im Nachhinein die volle Kursgebühr zurückfordern.

Die große Frage war bislang: Wann ist das Fernunterrichtsschutzgesetz anwendbar? Hier spricht das Gesetz nur von der „räumlichen Trennung“. Die Gerichte und die Praxis (Behörden) gingen bislang davon aus, dass es nicht auf die Örtlichkeit ankommt, sondern darauf, ob Fernunterricht asynchron oder synchron stattfindet. Findet mindestens die Hälfte des Unterrichts synchron statt (zum Beispiel im Wege von Video-Live-Unterricht, Video-Gruppen-Calls oder vor Ort in einem Raum), ist das Gesetz nicht anwendbar.

Was sagt das LG Hamburg?

Das LG Hamburg hatte mit Urteil vom 19.07.2023 (Az.: 304 O 277/22) in einem Fall entschieden, bei dem eine Kundin ihren Coaching-Vertrag vorzeitig beenden wollte. Es gab Meinungsverschiedenheiten über die anfallenden Kosten. Die Klägerin bietet Coaching-Schulungen an und verspricht hohe Gewinne im Bereich „Print on Demand“, verfügt jedoch nicht über die erforderliche offizielle Zulassung bei der ZFU (Zentralstelle für Fernunterricht).

Der Beklagte – also der Coaching-Teilnehmer – hatte sich für ein Beratungsgespräch angemeldet und nach einem Telefonat mit dem Vorstand der Klägerin einen Vertrag für ein sechsmonatiges Coaching abgeschlossen. Ziel: Ein erfolgreiches E-Commerce-Unternehmen aufbauen. Der Preis für diesen Kurs betrug 6.366 €. Bevor der Kurs begann, widerruft der Beklagte den Vertrag, was von der Klägerin abgelehnt wird. Nun verlangt die Klägerin die Zahlung der Kursgebühren.

Das Landgericht Hamburg entschied zugunsten des Beklagten und erklärte seine vorzeitige Kündigung des Coaching-Vertrags für rechtmäßig. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), das unter den nachfolgenden Voraussetzungen auch für Online-Coaching-Verträge gilt und eine Zulassung des Anbieters nach § 7 Abs. 1 FernUSG erfordert:

1. Fernunterricht

Das Gericht argumentierte, dass die Kursstruktur der Klägerin so ausgelegt war, dass Lehrer und Schüler räumlich voneinander getrennt waren. Dies war ein wesentlicher Bestandteil des Kurskonzepts, da sämtliche Coaching-Aktivitäten ausschließlich online durchgeführt wurden. Dies umfasste sowohl Video-Coaching-Sitzungen als auch den Zugang zu Lernmaterialien in Form von Videos. Das Gericht betonte, dass es auf die räumliche Trennung zwischen Lehrer und Schüler ankommt, wie es in § 1 FernUSG definiert ist, unabhängig von der Form des Lehrmaterials oder der Kommunikation.

Das Landgericht Hamburg argumentierte weiterhin, dass die Auslegung des Gesetzes, die Videounterricht von der Anwendung des FernUSG ausklammert, dem Schutzzweck des Gesetzes widerspricht, der darauf abzielt, unseriöse Lehrangebote zu verhindern.

2. Lernerfolgskontrolle

Zudem liegt nach Ansicht des Gerichts auch die zweite Voraussetzung vor: die Lernerfolgskontrolle (§ 2 I Nr. 2 FernUSG). Das Gericht sagt, eine gezielte Wissensabfrage in einem Gespräch ist gerade nicht nötig. Auch ein bloßer persönlicher Austausch genügt, wenn er vertraglich vorgesehen ist. In diesem Austausch können dann Rückfragen zu den Lerninhalten gestellt werden.

Fazit

Dieses Urteil ist eine enorme Kehrtwende und wäre, würde es auch vom OLG Hamburg und möglicherweise vom BGH bestätigt werden, eine Katastrophe für alle Anbieter von Online-Kursen. Ohne ZFU-Zertifizierung könnten dann sämtliche Teilnehmenden ihre gezahlten Vergütungen zurückverlangen.

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 8. November 2023 (zuletzt aktualisiert: 20. Februar 2024)