LG Frankfurt: Gilt das FernUSG nun doch nicht für B2B-Verträge?

lg frankfurt zfu fernusgGewisse Online-Kurse unterliegen aufgrund des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) einer Zertifizierungspflicht bei der ZFU. Nach dem LG Frankfurt a.M. gilt das nicht für reine B2B-Verträge.

Wie war die Rechtslage bisher?

In diesem Beitrag hatte ich im Frühjahr 2023 ausgiebig über das Urteil des OLG Celle vom 1. März 2023 (Aktenzeichen 3 U 85/22) berichtet.

Das OLG Celle hatte entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz auch auf Verträge anwendbar ist, die ausschließlich Unternehmer („B2B“) im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 14 BGB) geschlossen haben.

Die Folge: Die Anbieter von E-Learning, Online-Kursen und Online-Coachings sind zu weitreichenden Maßnahmen gezwungen, wenn das Gesetz anwendbar ist. Das ist wiederum der Fall, wenn der Anteil asynchroner Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten 50 % übersteigt. Sie sind unter anderem verpflichtet zu:

  • Zertifizierung bei der ZFU
  • Einräumung eines Widerrufsrechts
  • Gewährung von Ratenzahlung
  • weitreichende Kündigungsmöglichkeiten
  • etc.

Das Urteil wurde in rechtlichen Kreisen stark kritisiert. Denn das Fernunterrichtsschutzgesetz spricht ausdrücklich nur von „Teilnehmern“ und nicht von Verbrauchern als Schutzsubjekten. Eine Auslegung entgegen dieses Wortlauts ist daher schon fragwürdig. Denn die Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes auf B2B-Verträge führt zur skurrilen Folge, dass plötzlich Unternehmen einem anderen Unternehmen Widerrufsrecht und Ratenzahlungen einräumen müssen.

Es stellt sich daher Frage: Weshalb soll ein Unternehmen beim Bezug von Fernunterricht nach dem Urteil des OLG Celle weitreichende Verbraucherschutzbefugnisse bekommen, nicht aber beispielsweise beim Kauf eines völlig überteuerten Dampfstaubsaugers im Internet?

Kehrtwende Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main v. 15.9.2023

Mit Urteil vom 15. September 2023 (Aktenzeichen: Az. 2-21 O 323/21) hat nun das LG Frankfurt am Main gegengerudert. Es entscheidet, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz gerade nicht auf Verträge zwischen Unternehmern im Sinne von § 14 BGB anwendbar ist. Die Argumentation (wörtlich zitiert):

„Zwar verfügt die Beklagte unstreitig nicht über die gem. § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge, das FernUSG ist jedoch – entgegen der Ansicht der Klägerin – auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob das Angebot der Beklagten tatsächlich eine Form des zulassungsbedürftigen Fernunterrichts darstellt (so OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 -3 U 85/22, BeckRS 2023, 2794, Rn. 35 ff.). Denn das FernUSG findet auf Verträge zwischen Verbrauchern keine Anwendung. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers soll das FernUSG die Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes sichern und sich in die übrigen Bemühungen zum Schutz der Verbraucher einreihen (BT-Drs. 7/4245, S. 13, 32). Hierfür spricht auch § 4 FernUSG, da dort auf § 355 BGB verwiesen wird, der den Verbraucherwiderruf normiert. Auch im § 7 FernUSG selbst wird mehrfach das Widerrufsrecht angesprochen.

Angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers und der daraus folgenden Umsetzung im FernUSG muss davon ausgegangen werden, dass das FernUSG nur Anwendung findet im Falle eines Vertragsschlusses zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer (vgl. KG, Hinweis vom 22.06.2023 – 10 U 74/23, Anlage B11, Vennemann in Nomos-BR/Vennemann FernUSG, 2. Aufl. 2014, FernUSG § 3 Rn. 5). So liegt der Fall jedoch hier gerade nicht (s.o.). […]“.

Steht das LG Frankfurt am Main mit dieser Meinung alleine da?

Nein. Schon zuvor hat das Kammergericht (so heißt das „Oberlandesgericht“ im OLG-Bezirk Berlin) in einem Hinweisbeschluss vom 22. Juni 2023 darauf hingewiesen, dass eine Anwendbarkeit des Fernunterrichtschutzgesetzes auf Unternehmer nicht in Betracht kommt.

Wie wird sich die Rechtslage künftig entwickeln?

Die Frage, ob das Fernunterrichtsschutzgesetz auch im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr (B2B) anwendbar ist, ist umstritten. Wir haben nun unterschiedliche Ansichten von Gerichten. Ich erwarte daher demnächst eine Vorlage eines Oberlandesgerichts zum BGH. Erst mit einer höchstrichterlichen Entscheidung wird hierbei Rechtssicherheit einkehren.

Ich vermute, dass der BGH die Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes auf den reinen B2B-Verkehr verneinen wird. Überraschungen sind aber immer möglich. Zudem ist es ohne weiteres möglich, dass nach entsprechender Verneinung des BGH im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Gesetzgeber reagiert und klarstellt, dass das Gesetz auch auf den B2B-Verkehr anwendbar ist.

Fazit und Empfehlung

Aus den vorgenannten Gründen – umstrittene Rechtslage und mögliche Gesetzesänderungen – empfehle ich derzeit allen Anbietern von E-Learning, Online-Kursen und Online-Coachings, die Anwendbarkeit des Fernunterrichtschutzgesetzes nach Möglichkeit zu vermeiden. Wie das funktioniert habe ich schon in meinem alten Beitrag zum FernUSG erklärt.

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 2. November 2023 (zuletzt aktualisiert: 20. Februar 2024)