schuetzenzelt_greger_markenstreitDie Betreiber des berühmten Schützenfestzelts auf dem Oktoberfest streiten um die Marke „Schützenfestzelt“ mit einem Marken-Grabber. Hier alle Infos zu dem Streit:

Was ist passiert?

Das Schützenfestzelt (kurz: Schützenzelt) wird von der Schützen-Festzelt Reinbold OHG betrieben, also einer eingesessenen Wiesn-Wirt-Familie. Es ist eines der angesagtesten Zelte auf dem Oktoberfest.

Leider haben sich die Wirte den Namen „Schützenfestzelt“ nicht als eingetragene Marke gesichert. Das hat ein „findiges“ Unternehmen – die Realis GmbH aus Eichstätt – wohl ausgenutzt und kurzerhand selbst die Marke „Schützenfestzelt“ angemeldet (siehe DPMA-Eintrag zur EU-Marke Nr. 018755810). Die angemeldeten Waren und Dienstleistungen umfassen unter anderem:

  • (Fest)Zelte
  • Bier
  • Verpflegung von Gästen

Frech: Realis GmbH will offensichtlich Geld

Relativ kurz nachdem die Marke dann endgültig eingetragen war (ohne Widerspruch), wird klar: das war nicht ein Akt der Nächstenliebe. Frech schreibt der Geschäftsführer der Realis GmbH an die Schützen-Festzelt Reinbold OHG sinngemäß:

Sie nutzen unsere Marke ohne vertragliche Grundlage. Bitte setzen Sie sich mit uns bis 31.01.2023 in Verbindung, damit wir eine Lösung finden können. Bis dahin gestatten wir Ihnen, den Begriff „SCHÜTZENFESTZELT“ im geschäftlichen Verkehr und in der Außendarstellung zu benutzen.

War das bösgläubig?

Ich würde sagen: ja. Denn die Realis GmbH hat neben u. a. auch folgende Kennzeichen als Marke angemeldet:

  • Nucom (Startup-Vehikel der Pro7 Gruppe)
  • das Gute schläft nie (Fritz Kola)
  • Northern Helicopter (Helikopter-Unternehmen aus Ostfriesland)
  • Giacomelli (Trachengeschäft aus München)

Daraus lässt sich relativ eindeutig schließen, dass es der Realis GmbH nur darum geht, eine eventuell verpasste Markenanmeldung der eigentlichen Unternehmen finanziell auszunutzen. Auch hier bei der Marke „Schützenfestzelt“ spricht für mich alles dafür, dass es sich um klassisches Marken-Grabbing handelt. Mit diesem Argument hat daher die Schützen-Festzelt Reinbold OHG einen Antrag beim EUIPO auf Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit gestellt.

Zur Erklärung: bei einem Antrag auf Löschung beim Markenamt handelt es sich nicht um eine klassische zivilrechtliche Klage sondern um ein Amtsverfahren beim Markenamt. Es findet in der Regel ohne mündliche Verhandlung statt und ist deutlich preisgünstiger als ein Rechtsstreit vor Gericht.

Mit Erfolg?

Wie hat das EUIPO entschieden?

Genau diese Bösgläubigkeit sah das EUIPO im Löschungsverfahren nicht und hat den Löschungsantrag zurückgewiesen.

Argument des EUIPO: Auch wenn die Markenanmelderin die Bezeichnung Schützenfestzelt auf dem Oktoberfest kannte oder hätte kennen müssen, impliziert dies nicht automatisch eine Bösgläubigkeit. Es sei vielmehr nicht genau bekannt, weshalb die Realis GmbH die Marke anmeldete. Wörtlich führt das EUIPO aus:

Allerdings ist auch unklar, warum sich die Antragstellerin nicht selbst um markenrechtlichen Schutz für ihr Unternehmenskennzeichen als Marke in der EU bemühte. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass das System der Eintragung einer Unionsmarke auf dem in Artikel 8 Absatz 2 UMV niedergelegten Grundsatz des „ersten Anmelders“ beruht.

Tipp: Es ein großer Fehler, eine Marke nicht rechtzeitig anzumelden, wenn du sie bereits benutzt oder die Benutzung planst!

Ist das „Schützenfestzelt“ nun in Gefahr?

Ich könnte mir nun noch folgende Optionen vorstellen, wie die Wirte des Schützenfestzelts ihren Namen retten können:

1. Unterlassungsklage

Die Unionsmarkenverordnung kennt das Recht am Unternehmenskennzeichen nicht. Also können die Wirte dort auch nicht die Löschung der Unionsmarke wegen eines älteren Unternehmenskennzeichen beantragen.

Die Betreiber des Schützenfestzelts könnten jedoch vor einem deutschen Gericht Unterlassung auf Grundlage eines älteren Unternehmenskennzeichens klagen. Jedenfalls in Deutschland ist das ein gesetzlich anerkanntes Schutzrecht. Es bezieht sich nicht auf Leistungen (Waren und Dienstleistungen) sondern kennzeichnet den Geschäftsbetrieb als solchen oder einen Teil davon. Sogar ein Festzelt auf dem Oktoberfest kann theoretisch als sogenannte Etablissementbezeichnung ein Recht am Unternehmenskennzeichen begründen. Und das Recht wäre definitiv älter als nur etwa 1-2 Jahre!

2. Löschungsantrag

Die Betreiber des Schützenfestzelts könnten einen Antrag auf Löschung der Unionsmarke wegen fehlender Unterscheidungskraft stellen. Sie könnten sich auf den Standpunkt stellen, dass die Marke „Schützenfestzelt“ als Marke im rechtlichen Sinne gar nicht schutzfähig ist, weil es ein Festzelt für Schützen bezeichnet, also beschreibend ist (tatsächlich gibt es einen Schießstand im Schützenfestzelt auf dem Oktoberfest).

Diese Option kommt aber vermutlich nicht in Betracht. Die Wirte werden sicherlich – im Gegenteil – davon ausgehen, dass die Marke „Schützenfestzelt“ sehr wohl unterscheidungskräftig ist.

3. Lizenzgebühr zahlen und Kopf in den Sand stecken

Beispiel: schon 1% vom Zelt-Umsatz wäre wohl eine 6-stellige Lizenzgebühr. Pro Jahr!
Die Betreiber des Schützenfestzelts könnten aber auch die Konfrontation meiden aus Angst, tatsächlich den Namen zu verlieren. Denn es ist ja nicht zu 100% vorhersehbar, wie das EUIPO über einen Löschungsantrag oder wie ein deutsches Gericht über eine Unterlassungsklage entscheidet.

Dann würde vermutlich jährlich ein gewisser Anteil vom reichlich vorhandenen Geld an die Realis GmbH fließen.

Was lernen wir aus diesem Fall?

Völlig egal, wie der Streit weitergeht: Zunächst ist es ein großer Fehler, eine Marke nicht rechtzeitig anzumelden. Die Schützen-Festzelt Reinbold OHG ärgert sich sicherlich gerade dumm und dämlich, weil sie den Zug verpasst und damit jetzt rechtliche Scherereien hat. Melde daher eine Marke – sofern du sie benötigst – frühzeitig an!

Max, ich brauche Unterstützung

Falls du in folgenden Themen Unterstützung suchst, kontaktiere mich gerne (besser zu früh als  zu spät):

  • Abmahnung
  • Rechtsverletzung
  • Marken-Audit
  • Markenanmeldung
  • Markenrecherche
  • Lizenzvertrag

– oder Anfrage über das Kontaktformular senden –

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 6. Juni 2024 (zuletzt aktualisiert: 7. Juni 2024)