Musiknutzung in Instagram Reels: Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung?

musik reels abmahnung urheberrechtDroht eine Welle neuer Abmahnungen wegen einer Urheberrechtsverletzung durch die Nutzung von Musik in Instagram Reels (und anderen 9:16 Shortvideos, z. B. auf TikTok, Facebook und YouTube Shorts)? So soll derzeit die Kanzlei BEUTLER & BRANDT für den Rechteinhaber INSTINCT GmbH abmahnen wegen angeblich unberechtigter Nutzung von Musik in Social Media.

Heute räumen wir mal mit allen Gerüchten auf!

Was sind „Reels“ bzw. Short Videos?

Reels sind Kurzvideos (Short Videos) im Hochformat (9:16) auf der Plattform Instagram. Mittlerweile setzen aber alle gängigen Social Media Plattformen auf kurze Videos im Hochformat. Die derzeit wohl erfolgreichste und auch am schnellsten wachsende Plattform ist TikTok, die  sich ausschließlich auf Shortvideos konzentriert.

Gerücht: Neue Abmahnwelle wegen Musiknutzung

Aktuell kursieren Gerüchte über einen neue Abmahnwelle wegen unzulässiger Nutzung von Musik in Short Videos.

Ich kann dazu nur sagen: mir liegt bislang keine solche Abmahnung vor. Jedoch soll derzeit die Kanzlei BEUTLER & BRANDT für den Rechteinhaber INSTINCT GmbH abmahnen wegen angeblich unberechtigter Nutzung von Musik in Social Media. Auf alle Fälle ist das Thema spannend, also sehen wir es uns genau an.

Die Rechtslage bei Musiknutzung in Social Media Videos

Immer dann, wenn du urheberrechtlich geschützte fremde Musik nutzt, benötigst du dafür urheberrechtliche Nutzungsrechte.

Beispiel: du möchtest einen Chart-Song aus den Charts Deinem Video hinterlegen. Das betrifft folgende Nutzungen:

  • Vervielfältigung und Verbreitung (§§ 16, 17 UrhG)
  • öffentliches Zugänglichmachen (§ 19a UrhG)
  • Synchronisation, d. h. Verbindung von Musik und Film (§ 15 UrhG)

Die genannten Rechte benötigst Du nicht nur von den Urhebern des Songs sondern auch Von den Interpreten, die an der konkreten Tonaufnahme mitgewirkt haben. Zudem besteht an jeder Tonaufnahme noch ein Produzentenrecht (= Tonträgerherstellerrecht, § 85 UrhG) zugunsten der natürlichen oder juristischen Person, die die technische, organisatorische und wirtschaftliche Leistung erbringt, das Tonmaterial aufzuzeichnen.

Im Ergebnis musst du also an folgende Personen denken:

  • Komponist
  • Arrangeur
  • Textdichter
  • Musiker/Sänger
  • Produzent

Woher bekomme ich diese Rechte?

Nehmen wir zunächst mal das oben genannte Beispiel eines Chart-Songs. Wenn du so einen Song mit deinem eigenen Video kombiniert und in einer Social Media Plattform veröffentlicht, bekommst du die dafür nötigen Rechte in der Regel ausschließlich bei einem Label.

Der Grund: die Verwertungsgesellschaften GEMA (Verwertungsgesellschaft für Urheber und Musikverlage) oder GVL haben nicht sämtliche dieser Rechte zur Wahrnehmung übertragen bekommen. Immer wenn es um die Nutzung von GEMA Repertoire für Werbung geht, findet keine Wahrnehmung durch GEMA / GVL statt. Folglich können die Verwertungsgesellschaften das Synchronisationsrecht nicht für Videos einräumen, die zu Werbezwecken erstellt werden.

Zudem behalten sich die Labels meist die Online-Rechte vor, jedenfalls für die Nutzung von Werken in Social Media.

Aber haben die Plattformen nicht Verträge mit den Labels?

Vielleicht hast du es auch schon einer gehört: Die Social Media Plattformen wie Instagram, YouTube und TikTok sollen Verträge mit den Verwertungsgesellschaften und/oder Plattengesellschaften (Labels) geschlossen haben. Dadurch soll die Nutzung von Musik wieder legal sein.

Stimmt das?

Hierzu müssen wir ein wenig ausholen. Es gibt seit 1.8.2021 das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG). Nach dessen § 4 sind kommerzielle Plattformen wie die eben genannten gesetzlich verpflichtet,

bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben.

Der Gesetzgeber hat sich also gedacht: verhindern können wir die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in Social Media ohnehin nicht. Also zwingen wir die Plattformen, sich bestmöglich anzustrengen, die für eine legale Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken (egal ob Bild, Musik, Video) nötigen Rechte einzuholen.

Dabei nennt § 4 II Nr. 2 UrhDaG insbesondere

„repräsentative Rechteinhaber … die der Diensteanbieter kennt“.

Das bedeutet, dass Social Media Plattformen auf alle Fälle mit den großen Labels in Kontakt treten müssen und um Nutzungsrechte verhandeln müssen.

Das Problem ist, dass es keine Pflicht zur Veröffentlichung dieser Verträge gibt. Die Verträge sind also geheim. Wir wissen also schlichtweg nicht, ob das jeweilige Label mit der jeweiligen Social Media Plattform einen solchen Vertrag über Nutzungsrechte geschlossen hat.

Wir können lediglich vermuten, dass die gängigen Social Media Plattformen mit allen großen Labels Verträge über die Nutzung der beim Label gelisteten Werke geschlossen haben.

Nehmen wir aber einfach mal an, TikTok hat einen Vertrag mit Taylor Swifts Label (aktuell: Republic Records) über Nutzungsrechte abgeschlossen. Dann schützt § 6 UrhDaG die Nutzer der Social Media Plattform. Denn § 6 UrhDaG sagt:

Ist dem Diensteanbieter die öffentliche Wiedergabe eines Werkes erlaubt, so wirkt diese Erlaubnis auch zugunsten des Nutzers, sofern dieser nicht kommerziell handelt oder keine erheblichen Einnahmen erzielt.

Heißt vereinfacht: wenn die Social Media Plattform einen Vertrag mit einem Rechteinhaber (insbesondere Label oder Verwertungsgesellschaft) geschlossen hat, dann gilt die Erlaubnis für die Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke auch für alle Nutzer dieser Plattform.

Gilt das auch für kommerzielle Inhalte?

Jetzt kommt leider der Haken. Vielleicht hast du es schon im Wortlaut von § 6 UrhDaG gelesen.

Wenn du kommerzieller Content Creator bist, schützt § 6 UrhDaG dich nicht. Doch wann sind deine Beiträge eigentlich kommerziell?

Wann ein Inhalt kommerziell nach § 6 UrhDaG ist? Sagt uns das Gesetz leider nicht.

Auf was kommt es an?

  1. Auf den einzelnen Beitrag
    Mit etwas Milde könnten wir auf den einzelnen Beitrag abstellen. Mir persönlich wäre aber das Risiko zu hoch, mich hierauf zu verlassen. Gerichtsurteile dazu gibt es keine. Die Kommentarliteratur legt den Begriff „kommerziell“ als „gewerblich“ aus. Das setzt eine gewisse Dauer und einen gewissen Umfang voraus, betrifft also nicht nur den einzelnen Beitrag.
  2. Auf den Gesamteindruck
    Wenn du kommerzielle(r) Influencerin/Influencer oder ein sonstiges Unternehmen bist ist daher im Zweifel jeder Inhalt in jedem deiner Beiträge automatisch als kommerziell zu betrachten. Nach dieser strengen Auslegung musst du tatsächlich auch bei privaten Posts aus dem Urlaub ohne jeglichen Bezug zu Leistungen aufpassen.

Parallel dazu mach Facebook in seinen Facebook-Musikrichtlinien (Stand April 2023) eine klare Ansage:

Du bist für die Inhalte verantwortlich, die du postest

und

Insbesondere die Nutzung von Musik für gewerbliche oder nicht private Zwecke ist verboten, es sei denn, du hast entsprechende Lizenzen eingeholt.

TikTok wiederum sagt: als kommerzieller Nutzer darfst du zwar Musik nutzen, die dir in deinem Business Account von TikTok bereitgestellt wird. Darfst hingegen keine Musik nutzen, die von anderen Usern hochgeladen wurde, wenn du nicht dafür die nötigen Rechte hast:

Sie sind dafür verantwortlich, sich alle erforderlichen Rechte/ Einwilligungen zur Nutzung dieser Musik einräumen zu lassen (das heißt an der Masteraufnahme; sowohl Verwertungsrechte in körperlicher Form als auch Rechte der öffentlichen Wiedergabe (Aufführungsrechte)/ des öffentlichen Zugänglichmachens des darin enthaltenen Werkes der Musik und, falls und soweit zutreffend, alle Rechte der ausübenden Künstler). Dies gilt unabhängig davon, ob diese Musik in Videos, die auf der Plattform für kommerzielle/ nicht-persönliche Unterhaltungszwecke oder für nicht-kommerzielle/ persönliche Unterhaltungszwecke kreiert werden, oder in Live-Streams eingesetzt wird.

(TikTok lässt dich als kommerzieller Nutzer daher stets vor dem hochladen eines Videos In einem Popup Fenster bestätigen, dass du fremde Urheberrechte beachtest.)

Die „15-Sekunden Regel“

Und da kommen wir gleich zum nächsten Thema aus der Gerüchteküche: Die „15-Sekunden“-Regel. Vielleicht hast auch du gehört, dass dann ja möglicherweise alles wieder legal ist?

Gibt es überhaupt eine solche Regel?

Ja. Die gibt es. Nach § 10 UrhDaG gelten die Veröffentlichung von Videos oder Musik als sogenannte „geringfügige Nutzung“, wenn die Dauer lediglich bis zu 15 Sekunden beträgt.

a) Folgt daraus Nutzungsrecht?

Doch was folgt aus der geringfügigen Nutzung? Zunächst noch gar nichts. Zumindest kein Nutzungsrecht.

Die Beschränkung der Dauer eines genutzten Musikstücks auf maximal 15 Sekunden bewirkt aber nicht automatisch die Rechtmäßigkeit der Nutzung. Vielmehr wirkt sich das nur auf die widerlegliche Vermutung nach § 9 UrhDaG aus.

b) Was sagt die unwiderlegliche Vermutung nach § 9 UrhDaG?

Danach wird für nutzergenerierte Inhalte, also auch Kurzvideos (Reels, Shorts, Tiktoks) die Zulässigkeit der Nutzung von Musik etc. vermutet, wenn unter anderem die Wiedergabedauer des Werks auf maximal 15 Sekunden begrenzt ist.

Die Folge ist dann aber lediglich, dass die Plattform ihren „Uploadfilter“ nicht auf dieses Werk anwenden darf (§§ 7, 8 UrhDaG: einfache und qualifizierte Blockierung).

Kurze Wiederholung zu den Upload-Filtern: § 7 UrhDaG verpflichtet Social Media Plattformen dazu, durch Upload-Filter „bestmöglich sicherzustellen“, dass urheberrechtlich geschützte Werke nicht veröffentlicht werden können, wenn die jeweiligen Rechteinhaber das verlangen (stay down).

Nochmal: die Begrenzung eines Clips oder der darin enthaltenen Musik auf 15 Sekunden die Nutzung von Musik nicht automatisch zulässig.

Zwar ist eine Social Media Plattform unter diesen Voraussetzungen verpflichtet, den Nutzer generierten Inhalt auf der Plattform zu lassen, bis nicht die rechtliche Unzulässigkeit feststeht. Stellt sich aber später heraus, dass die Nutzung nicht berechtigt war, haftet nach außen unter anderem der Content Creator gegenüber dem Rechteinhaber wegen einer Urheberrechtsverletzung.

Welche Lösungen gibt es denn für kommerzielle Content Creator?

Wenn du kommerzieller Content Creator bist, hast du mehrere Optionen:

Libraries der Social Media Plattformen:

Einige Social Media Plattformen haben eigene Musikbibliotheken. Hierunter zählt zum Beispiel:

Beachte bitte, dass du dann aber die jeweilige Musik immer nur auf der jeweiligen Plattform nutzen darfst. Zudem handelt es sich hier natürlich nicht um Chart-Musik oder trendige Songs.

Zulässig ist es derzeit auch, wenn du als kommerzieller Nutzer die jeweilige App-seitig verfügbare Musik nutzt. Diese stammt aus den (kommerziell nutzbaren) Audio Libraries.

Vorsicht: Umgekehrt ist es natürlich nicht zulässig, wenn du dir einen bekannten Chart-Song im Schnittprogramm in dein Video mixt und auf die Plattformen hochlädst.

Auch unzulässig ist es, wenn du dir z. B. aus der YouTube Audio Library einen royalty free Song herunterlädst, in dein Video mixt und das fertige Video dann auf eine andere Plattform(z. B. Instagram) hochlädst.

Externe Library/Plattformen

Es gibt zahlreiche externe Internetplattformen, die als sogenannter „one stop shop“ über alle Nutzungsrechte der Beteiligten Rechteinhaber verfügen (also Komponist, Musiker, Produzent). Dort kannst du unter verschiedenen Vergütungsmodellen Musik in verschiedenen Social Media Plattformen nutzen. Kostenlose Nutzung setzt in der Regel einen ausführlichen Rechtehinweis bei der jeweiligen Nutzung voraus (was in Kurzvideos oft schwierig ist!).

Beispiele:

(*Die ersten beiden Genannten sind deutsche Unternehmen, deren Geschäftsführer ich persönlich kenne.)

Label nach Rechten fragen

Theoretisch könntest du auch zu einem Label gehen, zum Beispiel Universal Music. Sofern du dort eine Antwort erhältst, kannst du dir dort die nötigen Rechte einholen. Das Procedere ist aber nach meiner Kenntnis nicht ganz unaufwendig und lohnt sich nur für sehr große Produktionen.

Musik selbst komponieren, einspielen und produzieren

Natürlich ist es immer möglich, dass du Musik selbst komponierst, aufnimmst und dann mit deinen Videos kombinierst.

Vorsicht: ein Cover Song zählt wiederum nicht unter diese genannte Variante. Denn bei einer Cover Version kann zwar kein Label Rechte des Produzenten und oder der mitwirkenden ausübenden Künstler geltend machen. Tangiert ist aber immer noch das Urheberrecht des Komponisten und/oder Textdichters.

Ergebnis:

Die Nutzung von Musik in Kurzvideos (Reels, YouTube Shorts und TikTok) ist rechtlich kompliziert. Die Urheberrechte werden von sehr vielen Content Creator missachtet (teilweise auch aus Unwissenheit).

Gerade wenn du kommerziell unterwegs bist, drohen Abmahnungen durch die jeweiligen Musiklabels. Dabei könntest du mit Schadensersatzforderungen bis zu fünfstelliger Höhe konfrontiert werden und natürlich mit einem Unterlassungsanspruch.

Zudem hast du das Problem, dass du eventuell deine gesamte Timeline über Jahre hinweg durchsuchen musst, ob nicht das gleiche Stück irgendwo noch in einem anderen Video enthalten ist. Denn eine Unterlassungsverpflichtung umfasst auch alle „kerngleichen“ Verstöße.

Zudem verstößt du auch gegen die jeweiligen Plattformrichtlinien, wenn du Inhalte postest, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Dadurch kann dich die jeweilige Plattform sperren oder dein Konto löschen.

Fragen zu Urheberrecht in Social Media?

Better call Max.

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 17. April 2023 (zuletzt aktualisiert: 19. April 2023)