Hilfe, ich habe gegen eine Unterlassungserklärung verstoßen

verstoss gegen unterlassungserklaerungIn diesem Beitrag erkläre ich dir, wie du als Geschäftsführer erneute Verstöße vermeidest bzw. was du bei einem erneuten Verstoß unternehmen musst.

Typische Abmahnungen

Gerade im Bereich E-Commerce sind Abmahnungen keine Seltenheit. Das gesamte Angebot wird ja für die Allgemeinheit sichtbar auf der Website/im Onlineshop präsentiert. Das macht es Konkurrenten oder Abmahnverbänden leicht, Fehler zu ermitteln und dann abzumahnen.

Was könnte ein so typischer Fehler sein?

In der Lebensmittelindustrie

  • wird ein Wein gerne mal als „bekömmlich“ bezeichnet oder
  • wirkt ein Café der „Übersäuerung entgegen“ oder
  • ist ein Gin „entgiftend“.

Alle diese genannten Claims verstoßen gegen die Health Claims Verordnung und sind damit gleichzeitig auch wettbewerbswidrig. Denn sie verstoßen zugleich gegen eine Marktverhaltensregel (§ 3a UWG).

Strafbewehrte Unterlassungserklärung

Hast du einmal eine wettbewerbswidrige Handlung begangen, impliziert dass eine sogenannte Wiederholungsgefahr. Also die Gefahr, dass du auch künftig erneut einen kerngleichen Verstoß begehst.

Diese Wiederholungsgefahr und damit den Unterlassungsanspruch kannst du nur durch die Abgabe einer ernsthaften Unterlassungserklärung ausräumen. Ernsthaft ist eine Unterlassungserklärung dann, wenn du für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe versprichst.

Dabei kommt in der Regel der sogenannte „Hamburger Brauch“ ins Spiel. Du versprichst nicht eine konkret benannte Geldsumme für einen erneuten Verstoß, sondern überlässt die Festsetzung eines angemessenen Betrags dem Unterlassungsgläubiger. Gleichzeitig ist die Angemessenheit gerichtlich überprüfbar.

Wichtig: Eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung gilt für immer, nicht nur für einen bestimmten Zeitraum.

Erneuter Verstoß

Und weil eine Unterlassungserklärung dauerhaft gilt, erlebe ich es in der Praxis häufig, dass viele Jahre später Unternehmen erneut den gleichen Rechtsverstoß begehen. Das hat zwei Konsequenzen:

  • Du musst in der Regel die versprochene Vertragsstrafe zahlen.
  • Die Wiederholungsgefahr „lebt wieder auf“ (denn die Vertragsstrafe war scheinbar nicht Anreiz genug, dass du nicht mehr gegen das Unterlassungsgebot verstößt).

Wie gehst du jetzt vor?

Um die wieder auf gelebte Wiederholungsgefahr zu beseitigen, musst du nach der Rechtsprechung erneut eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben. Weil ja schon die ursprünglich versprochene Vertragsstrafe keinen konkreten Betrag genannt hat, sondern nach dem „Hamburger Brauch“ formuliert war, könntest du jetzt natürlich die identische Unterlassungserklärung erneut abgeben (nur mit aktuellem Datum).

Das funktioniert so aber nicht! Die Tendenz in der aktuellen Rechtsprechung lässt den „Hamburger Brauch“ zwar zu. Dies aber nur, wenn du gleichzeitig einen Mindestbetrag als Vertragsstrafe für einen erneuten Verstoß versprichst.

Das kannst du beispielsweise so formulieren:

„1. Der Unterlassungsschuldner wird es künftig unterlassen, im geschäftlichen Verkehr innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu behaupten, Kaffee wirke der Übersäuerung entgegen …
2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. genannte Pflicht verpflichtet sich der Unterlassungsschuldner zur Zahlung einer angemessenen, vom Unterlassungsgläubiger festzusetzenden Vertragsstrafe an den Unterlassungsgläubiger, wobei die Angemessenheit vom zuständigen Gericht überprüfbar ist. Die Vertragsstrafe beträgt dabei für jeden Verstoß mindestens Euro 2.500.“

Kannst du sonst noch etwas tun?

Im Prinzip gibt es fünf Strategien zur Vermeidung einer Zuwiderhandlung gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung

Zuwiderhandlung vermeiden

Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn E-Commerce-Unternehmen beauftragen häufig außenstehende Dienstleister. Das können beispielsweise Werbeagenturen oder Copywriter sein. Diese Dienstleister versuchen natürlich, das Produkt zu emotionalisieren. Sie haben nicht primär eine Unionsverordnung wie die Health Claims VO, vor Augen.

Das bedeutet für dich als Geschäftsführer, dass du die von Dritten angefertigten Werbetexte oder Produktbeschreibungen aufmerksam kontrollieren musst. Denn nach außen haftest du. Und sind wir mal ehrlich: Muss ein Werbetexter sich in einem speziellen Rechtsgebiet auskennen? Das ist eigentlich deine Aufgabe!

Kündigung der Unterlassungsvereinbarung prüfen

Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Unterlassungserklärung gepaart mit der Vertragsstrafe um einen Vertrag. Einen sogenannten Unterlassungsvertrag. Weil der Vertrag (wie schon oben erwähnt) dauerhaft gilt, ist es eher ein Dauerschuldverhältnis.

Auch wenn in der Regel der Unterlassungsvertrag keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht, besteht jederzeit die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB aus wichtigem Grund.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass nachfolgende zwei Ereignisse ein solcher wichtiger Kündigungsgrund sind:

  • Eine Änderung des Gesetzes, wonach das ursprüngliche rechtswidrige Verhalten plötzlich rechtmäßig ist.
  • Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH/EuGH), die einer Gesetzesänderung praktisch gleichkommt.

Glaub mir, der Unterlassungsgläubiger wird deine außerordentliche Kündigung nicht ohne weiteres akzeptieren, auch wenn die Kündigung berechtigt sein sollte.

Fehlende Aktivlegitimation/Rechtsmissbrauch

Im Falle von Abmahnverbänden (ganz bekannt: Wettbewerbszentrale) gilt u. a., dass sie in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sein müssen und sie über eine erhebliche Zahl an Mitgliedern verfügen müssen.

Liegen diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt des erneuten Verstoßes oder davor nicht vor, erlischt möglicherweise die Aktivlegitimation des entsprechenden Verbands. Die Geltendmachung einer Vertragsstrafe ist dann möglicherweise rechtsmissbräuchlich.

Besteht überhaupt ein Unterlassungsvertrag?

Wie schon erwähnt, tritt an die Stelle eines Unterlassungsanspruchs die Unterlassungserklärung mit der Vertragsstrafe. Dabei handelt es sich um einen Unterlassungsvertrag, der durch Angebot und Annahme zustande kommt (§§ 145 ff. BGB).

In der Regel gibst du als Unterlassungsschuldner eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Diese muss dann der Unterlassungsgläubiger abermals annehmen, weil deine abgeänderte Unterlassungserklärung als neuer Antrag gilt (§ 150 BGB).

Manchmal vergessen dann Unterlassungsgläubiger oder deren Anwälte, diese Unterlassungserklärung noch einmal deutlich anzunehmen. Dann fehlt es an einem Unterlassungsvertrag. Die Vertragsstrafe gilt nicht als versprochen.

Und wenn dann der Unterlassungsgläubiger erst Jahre später die Vertragsstrafe geltend macht, gilt das zwar als möglich, also noch implizit als stillschweigende Annahme deines Angebots. Die Annahme wäre aber verspätet, weil ein Vertragsangebot nicht erst Jahre später angenommen werden kann. Es gilt eine „gewöhnliche Annahmefrist“ nach § 147 II BGB. Diese Frist wird nicht länger als ein paar Wochen dauern. Dann kann der Unterlassungsgläubiger dein Angebot nicht mehr annehmen.

Verhandeln

Egal wie schlecht deine Situation ist: du musst immer verhandeln. Denn die Festsetzung der Vertragsstrafe liegt ja in der Regel im Ermessen des Unterlassungsgläubigers. Bei der Angemessenheit spielen einige Faktoren eine Rolle:

  • dein Umsatz
  • Relevanz deines Verstoßes
  • Hartnäckigkeit der Zuwiderhandlung
  • Reichweite usw.

Das sind alles weiche Faktoren, bei denen du immer handeln kannst.

Übrigens lässt sich mit einigen Abmahnverbänden manchmal auch eine Regelung treffen, wonach du zwar möglicherweise ein paar Hundert Euro mehr zahlst, dafür aber die Mindestsumme bei einem künftigen Verstoß in der erneuten Unterlassungserklärung niedriger ist oder du möglicherweise gar keine erneute Unterlassungserklärung abgeben musst. Die Optionen für eine solche vergleichsweise Regelung sind vielfältig! Hier sind Erfahrung und Fingerspitzengefühl gefragt.

Und wenn ich ein zweites Mal gegen eine Unterlassungserklärung verstoße?

Das ist natürlich super ärgerlich. Aber dann gilt nichts anderes als das, was ich zuvor gesagt habe. Du musst abermals eine neue strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben. Die darin eingetragene Mindestsumme ist dann noch mal entsprechend anzuheben.

Gibt es noch einen geheimen Trick?

Ein Thema habe ich noch gar nicht beleuchtet: Der gerichtliche Weg. Die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung dient ja zur Meidung eines Gerichtsverfahrens (Unterlassungsklage oder einstweilige Verfügung).

Eine gerichtliche Inanspruchnahme kann dich zwar etwas teurer kommen im Hinblick auf Prozesskosten. Andererseits hat ein Unterlassungsurteil oder eine einstweilige Unterlassungsverfügung den Vorteil, dass bei einem erneuten Verstoß keine Vertragsstrafe an den Gegner fließt. Vielmehr müsstest du auf Antrag des Gegners ein Ordnungsgeld an den Staat zahlen. Davon hat der Gegner nichts in finanzieller Hinsicht, weshalb der Anreiz sehr gering ist, diese Verstöße erneut bei Gericht per Antrag zu ahnden.

Es kann also im Einzelfall sinnvoll sein, keine Unterlassungserklärung abzugeben, sondern ein Unterlassungsurteil oder eine einstweilige Verfügung in Kauf zu nehmen. Gerade bei der einstweiligen Verfügung machen Unterlassungsgläubiger manchmal Fehler, die dir dann zugutekommen können. Beispiele:

  • Vollstreckungsfrist wird versäumt.
  • Dringlichkeitsfrist wird versäumt.
  • In der einstweiligen Verfügung werden Tatsachen vorgetragen, die nicht in der Abmahnung stehen.
  • Das Gericht sieht es vielleicht ganz anders als der Unterlassungsgläubiger.

Ich weiß, das ist nicht ganz unkompliziert. Wenn du Unterstützung suchst, melde dich gerne bei mir. Gerne kannst du dir ein kostenloses Kennenlerngespräch direkt buchen:

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 28. November 2023 (zuletzt aktualisiert: 28. November 2023)