Ein online-Coach müsste eigentlich wegen der Nichtigkeit des Vertrags das Honorar zurückzahlen, kann aber seinen Anspruch auf Wertersatz wegen Inanspruchnahme der Leistung entgegensetzen.
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Das Amtsgericht Paderborn (Az. 57a C 183/24) hat erstmals in einem Urteil den Wertersatz zugesprochen. Dies trotz angenommener Nichtigkeit eines Coaching-Vertrags! (Link zum Urteil).

Worüber wurde gestritten?

Eine Frau buchte am Telefon ein Coaching-Programm. Acht Wochen Laufzeit, Kosten: 3.570 Euro. Das Geld zahlte sie in vier Raten. Sie bekam Zugang zu fast 100 Stunden Videomaterial, sah über 70 Stunden davon. Zusätzlich gab es eine Gruppe mit Coaches und anderen Teilnehmern. Dort konnte sie Fragen stellen und Erfahrungen teilen.

Dazu fanden Live-Calls statt, neun Mal pro Woche, je zwei Stunden. Auch diese Calls wurden aufgezeichnet und später abrufbar gemacht. Ein umfangreiches Paket also. Doch es gab ein Problem: Der Anbieter hatte keine offizielle Zulassung der ZFU (Zentralstelle für Fernunterricht) nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz. Genau das machte die Sache brisant. Die Kundin wollte nach § 7 FernUSG iVm § 812 BGB ihr Geld zurück.

Die Argumente der Kundin

Die Frau meinte, der Vertrag sei ungültig. Ihrer Ansicht nach handelte es sich um Fernunterricht. Und für Fernunterricht braucht ein Anbieter eine staatliche Zulassung. Da diese fehlte, verlangte sie die Rückzahlung.

Sie sagte auch: Der Preis sei überzogen. Fast viertausend Euro für Videos und ein paar Calls? Das sei ein Missverhältnis. Außerdem habe sie keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erhalten. Als Verbraucherin stehe ihr ein Widerrufsrecht zu.

Zusätzlich warf sie dem Anbieter Täuschung vor. In Werbeanzeigen sei von hohen Einkommen die Rede gewesen. Für sie seien diese Zahlen unerreichbar gewesen. Noch dazu habe sie für bestimmte Software extra zahlen müssen. Diese Kosten seien vorher nicht offengelegt worden. Ihre Forderung: Rückzahlung der gesamten 3.570 Euro plus Anwaltskosten.

Die Sicht des Anbieters

Der Anbieter wollte nicht zahlen. Er argumentierte, die Kundin sei keine Verbraucherin, sondern Unternehmerin in Gründung. Sie habe bereits eine Ausbildung zur Texterin gemacht und seit 2024 am Markt gearbeitet. Deshalb greife das FernUSG nicht.

Außerdem sah er sein Angebot nicht als Fernunterricht, sondern als Coaching. Persönliche Betreuung und Austausch seien der Kern. Und selbst wenn der Vertrag nichtig sei, müsse die Kundin Wertersatz leisten. Schließlich habe sie fast alles genutzt.

Vergleichbare Programme, so der Anbieter, kosteten sogar noch mehr. Der Preis sei also nicht überhöht. Deshalb sah er keinen Grund, Geld zurückzuzahlen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht Paderborn prüfte genau. Ergebnis: Der Vertrag war tatsächlich Fernunterricht und hätte einer Zulassung benötigt. Es ging vor allem um die Videos. Über 99 Stunden Wissen, abrufbar zu jeder Zeit. Auch die Live-Calls galten als asynchron, weil sie aufgezeichnet wurden. Damit lag überwiegende räumliche und zeitliche Trennung vor.

Da keine Zulassung nach § 12 FernUSG vorlag, erklärte das Gericht den Vertrag für nichtig. Klingt nach Sieg für die Kundin, oder? Nicht ganz.

Knackpunkt Wertersatz

Jetzt könnte man denken: Der Vertrag ist nichtig, das Geld muss zurückgezahlt werden. Doch so einfach ist es nicht. Wenn der Kunde ein Programm nutzt, muss er den Wert zurückgeben. Das folgt aus § 818 BGB und gilt selbst dann, wenn der Vertrag unwirksam ist. Der BGH hat den Wertersatz kürzlich im Urteil vom 12.6.2025 (III ZR 109/24) für möglich erachtet.

Was setzt der Wertersatz voraus?

  • Nutzung der Leistung: Sobald der Kunde das Programm tatsächlich genutzt hat (z. B. viele Videos gesehen, Calls besucht, in Gruppen aktiv gewesen), schuldet er den Wert dieser Nutzung.
  • Bemessung nach Marktwert: Der Wertersatz richtet sich nach dem, was solche Leistungen üblicherweise kosten. Das Gericht schaut: Was verlangen andere Anbieter für vergleichbare Programme? Gibt es große Preisunterschiede, könnte man ein Missverhältnis annehmen.
  • Obergrenze = vereinbarter Preis: Wertersatz darf niemals höher sein als der vereinbarte Vertragspreis. Hier: 3.570 € waren vereinbart, also war das auch die Obergrenze.
  • Kein Ausschluss durch § 817 Satz 2 BGB : Normalerweise entfällt der Wertersatz, wenn der Anbieter bewusst rechtswidrig gehandelt hat. Das Gericht sah hier aber keinen Vorsatz. Der Anbieter hatte sich nicht absichtlich über das Gesetz hinweggesetzt. Daher blieb der Wertersatz bestehen. Ob die positive Kenntnis oder nur die fahrlässige Unkenntnis nötig sind, ist unklar. Ein offensichtlich rechtswidriger Vertragsschluss würde aber aus meiner Sicht den Anspruch auf Wertersatz zunichte machen.

Fazit:

Als Urteil eines Amtsgerichts hat dieses Urteil natürlich eine relativ geringe Bedeutung. Dennoch ist möglicherweise das erste Urteil, das sich dezidiert mit dem Wertersatz auseinandersetzt. Ich empfehle folgendes zu dokumentieren:

  • Grad der Inanspruchnahme der Leistung
  • Notwendigkeit der Leistung
  • Angemessenheit der Vergütung

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 2. Oktober 2025 (zuletzt aktualisiert: 2. Oktober 2025)