abwerbeverbotStell dir vor, ein Kunde beauftragt dich für ein Projekt. Du holst dir einen Vertragspartner (Unter-Auftragnehmer) ins Boot. Plötzlich beginnt dein Vertragspartner, deine Mitarbeiter abzuwerben. Oder – auch nicht selten – der Kunde wirbt deine Angestellten ab.

Bei Unternehmen, die eng zusammenarbeiten, ist das gar keine Seltenheit. Du sagst natürlich:

„Du kannst mir doch nicht einfach meine Mitarbeiter abwerben?“

Stimmt diese Äußerung?

Grundsatz: Abwerben zulässig

Generell ist das Abwerben von Mitarbeitern zulässig und im Rahmen des Konkurrenzkampfes hinzunehmen (wettbewerbskonform). Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Unlauter und damit unzulässig ist das Abwerben, wenn es im konkreten Fall zu einer unlauteren gezielten Behinderung des Konkurrenten oder Marktteilnehmers führt (§ 4 Nr. 4 UWG). Das wäre z. B. der Fall, wenn das Abwerben Mittel zum Zweck ist, um primär den Marktteilnehmer zu schädigen.

Vertragliches Abwerbeverbot

Gerade bei Kooperationen oder im Verhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber schützen sich Vertragspartner meistens wechselseitig durch ein gegenseitiges vertragliches Abwerbeverbot.

Das Abwerbeverbot wird dann meistens noch durch eine Vertragsstrafe flankiert. Das bedeutet, dass im Falle des Abwerbens der Abwerbende an den Vertragspartner eine Vertragsstrafe zahlen muss. Die Höhe legen die Parteien entweder schon vorher per Vertrag fest. Üblich ist dagegen ein einseitiges Bestimmungsrecht desjenigen, der die Vertragsstrafe geltend macht (die festzusetzende Höhe muss dann freilich angemessen sein.

Initiativbewerbungen?

Wenn wir vom Abwerbeverbot sprechen, meine ich das aktive Abwerben. Das ist gegeben, wenn du den Mitarbeiter eines Vertragspartners anrufst und ihm sagst: „Komm doch zu uns, da bekommst du ein besseres Gehalt und wir haben die spannenderen Projekte!“

Doch wie steht es um das passive Einstellen, wenn sich ein Mitarbeiter trotz eines Abwerbeverbots initiativ bewirbt? (wenn du ein cooles Unternehmen bist, spricht sich das herum!).

Greift dann auch das Abwerbeverbot?

Wie immer im Recht gibt es Ausnahmen. Du hast bestimmt schon mal von Art. 12 I GG gehört. Der regelt die Berufswahlfreiheit, aber auch die Freiheit, dass sich Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber frei wählen dürfen.

Grundrechte gelten zwar unmittelbar nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Aber aufgrund der sog. „Drittwirkung“ von Grundrechten, sind sie bei der Auslegung von Gesetzen auch dann zu beachten, wenn zwei Personen (hier: Unternehmen) untereinander agieren.

Aufgrund der grundrechtlich geschützten Berufswahlfreiheit dürfen zwei Unternehmen einem Arbeitnehmer nicht
durch gegenseitige Vereinbarungen „über dessen Kopf hinweg“ die freie Berufswahl verwehren.

Die Folge: Ein generelles Einstellungsverbot gibt es nicht. Zudem wäre das nach § 75f HGB auch gar nicht vor Gericht durchsetzbar.

Praktische Tipps

Einstellendes Unternehmen

Als einstellendes Unternehmen solltest du die Rekrutierung ab der ersten Kontaktaufnahme durch den Arbeit-nehmer deines Vertragspartners peinlich genau dokumentieren, insbesondere, dass die Initiative nicht von dir ausgeht sondern vom Mitarbeiter. Denn du kannst ja bereits erahnen, dass es Streit geben wird, wenn du den Mitarbeiter einstellst.

Geschädigtes Unternehmen

Als geschädigtes Unternehmen, dessen Mitarbeiter abgeworben wird, stehst du in der Beweislast und benötigst Anhaltspunkte für ein aktives Abwerben. Und am Ende gibt es doch noch eine Möglichkeit, wie du dafür sorgst, dass deine Mitarbeiter (zumindest die Schlüsselpositionen) nicht zur Konkurrenz abwandern:

Du kannst ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit deinen Angestellten vereinbaren. Das verhindert, dass sie sich auf eine Stelle bei der Konkurrenz bewerben. Aber das ist nur in sehr engen Grenzen zulässig und setzt insbesondere eine Karenzentschädigung voraus. Es gilt:

  • Karenzentschädigung: monatlich mindestens 50 % des zuletzt erhaltenen Lohns
  • Maximal 2 Jahre Dauer

Bei der Karenzentschädigung gilt nicht der pure Monatslohn sondern die Gesamtvergütung. Mit einzuberechnen sind auch Sonderleistungen wie Dienstwagen, Weihnachtsgeld, 13. Gehalt. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kann dich zudem maximal 2 Jahre vor einem Abwandern zur Konkurrenz schützen. Länger darf ein solches Wettbewerbsverbot nicht vereinbart werden.

Ergebnis

Das aktive Abwerben (“komm zu uns!”) kannst du zwar vertraglich einem anderen Unternehmen verbieten. Gegen Initiativbewerbungen kannst du dich allerdings nicht wehren. Denn ein generelles Einstellungsverbot (“Stelle keine unserer Mitarbeiter ein!”) ist nicht möglich und wäre nicht durchsetzbar. Ein Abwandern zur Konkurrenz kannst du nur verhindern, wenn du mit deinen Angestellten ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigung vereinbarst.

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Seite erstellt von Dr. Max Greger am 20. August 2024 (zuletzt aktualisiert: 20. August 2024)